Mittwoch, 13. Mai 2015
11-Kur’ân-ı Kerîm ist kein religiöses Buch. Es ist ein existentielles Buch. Es spricht über die Grundprioritäten. Es lädt dem Universum Sinn und Ziele auf. Kuran zu lesen ist keine Verantwortung, die man nur den Theologen und Religionsvertreter überlassen sollte. Jeder, der einen Intellekt und ein Leben besitzt, ist an erster Stelle für den Kuran verantwortlich.
12- ALLAH, der spricht und ALLAH, der erschaffen hat, ist ein und derselbe. Dieses Geheimnis verrät die Offenbarung ganz am Anfang als Bekanntmachung: Lies im Namen deines Herrn, der erschaffen hat,…”Sura 96/1. Der Erschaffer spricht im Kuran, so wie er erschaffen hat. Erschaffen ist auch eine Art von Sprechen. Der Baum ist ein Wort. Die Sonne ist ein Satz. Die Erde ist eine Seite. Wenn wir die Sprache der Erschaffung erkennen, entdecken wir das Sprachgeheimnis des Kuran’s. Obwohl die Sonne sehr alt ist, ist kein Sonnenaufgang alt. Jedes Mal ist er neu und frisch. Genauso ist das Wort der Ayat “alt” aber die Bedeutung ist wie der Sonnenaufgang in unseren Köpfen “neu” und erneuert sich immer wieder aufs Neue.
13-Kuran “hilft demjenigen, der ihn ließt.” Es öffnet sich demjenigen, der sich anstrengt, um ihn zu lesen. Kuran zu lesen um ihn zu verstehen, ist dem Kuran zu helfen. Wer hilft dem wird geholfen. Wenn der Diener dem Erschaffer dient, agiert der Erschaffer, wie es sich ziemt.
14-Unsere Verantwortung gegenüber dem Kuran ist, ihn zu lesen und zu verstehen und danach zu leben. Den Kuran oberflächlich zu lesen, kann unsere Verantwortung gegenüber dem Kuran nicht gerecht werden. Wer nur das oberflächliche Lesen als seine einzige Verantwortung sieht, läuft davor eigentlich weg. Wer die Schale von der Walnuss für die Walnuss hält, der wird niemals die Schale brechen und den Inhalt essen können.
15-Kuran ist nicht der Name eines Buches der aus Papier besteht, sondern es ist der Name der auf Papier geschriebenen Wörter, die mit Bedeutungen beladen sind und Reaktionen bewirken können. Die einzelnen Blätter vom Kuran, auf denen Ayet geschrieben sind, nennt man Musaf. Wenn Musaf gelesen wird, wird es zu Kuran (Lesung, Rezitierung, Vortrag). Wenn Kuran verstanden wird, wird es zu Beyan (Aussage, Erklärung). Wenn Beyan gelebt wird, wird es zu Insan (Mensch).
16-Der Kuran und der Mensch sind Zwillingsgeschwister. Wenn der Mensch ihn liest, versteht und auslebt, fängt er an seinen Zwilling kennenzulernen. Er freut sich, er staunt darüber und er bestaunt in einem schönen Spiegel sein Spiegelbild. Der durch das Lesen von Kuran seinen Zwillingspartner kennengelernt hat, versteht, dass er verstanden wird. Er bemerkt dass er sich bestätigt fühlt. Er sieht, dass es eine Vorlage für sein schwaches Dasein gibt.
17-Die Ayet sind wie ein Fluss. Der Fitra (arabisch: Natur, Veranlagung; Schöpfung) des Menschen ist das Flussbett, in dem der Fluss fließt. Je mehr wir der Ayat erlauben in unsere Herzen einzufließen, desto mehr werden wir unsere eigene Fitra bemerken. Der Fluss der Ayat wird unsere Fitra ernähren und unsere Fitrat wird den Fluss der Ayat bestätigen.
18-Was will das Beispiel mit dem Fluss uns sagen? Der Fluss liegt auf der Landkarte immer an der gleichen Stelle. Die Bewohner am Fluss hören jedes Mal andere Wassergeräusche. Spannend erleben sie jedes Mal, wie der Mond sich im Wasser anders spiegelt. Sie entdecken in den verschiedenen Wasserbereichen unterschiedliche Tiefen und Strömungen. Wenn sie ihre Angelrouten ins Wasser schmeißen können sie frische Fische fangen. Solange sie sich am Strand aufhalten, werden sie jedes Mal neue Pflanzen kennenlernen. Der Fluss verspricht jenen, die sich in seine Nähe sich begeben, neues Leben. Genauso ist es auch mit Ayat. Sie stehen auf einem Blatt geschrieben und stehen für jeden, der sie kennenlernen will zur Verfügung. Sie fließen jedes Mal in die Herzen der Leser aufs Neue und sind immer frisch. Es erneuert sich jedes Mal von selbst und trägt immer wieder das Leben mit sich und überträgt das Leben entlang seiner Ufer.
19- Laut Kuran ähnelt die Offenbarung dem Regen. Dieses Beispiel will andeuten, dass wir eine Verantwortung gegenüber dem Regen haben. Denn Regen ist ein altes Thema. Es ist lange vor unserer Zeit bestimmt worden, dass es auf der Erde regnen würde. Aber jeder Regen ist jedes Mal neu. Jeder Regen erneuert das Leben. Jeder Regentropfen verhilft dem verborgenen Samen unter der Erde ihn zum Leben zu erwecken und bringt den Baumwurzeln das Lebenselixier. Es ist genauso wie der Offenbarungsregen der 23 Jahren lang dauerte, um in die menschlichen Horizonte zu gelangen und stets in den Intellekt der Menschen herabgesandt wird. Falls wir in dem Boden unseres Intellekts die Samen sicher aufbewahren, wird die Berührung des Offenbarungsregens uns etwas Gutes tun. Dann kommt der Frühling zu unserem Boden. Wenn wir schon dabei sind, fällt mir das Gebet von unserem Propheten s.a.v. ein “Mach den Kuran zu unserem Frühling….” worüber wir uns Gedanken machen sollten, wie es angenommen werden wird.
20- Die Bedeutung um Kuran zu verstehen ist laut Kuranaussage das „Schweigen”. Schweigen, um die vorhandenen Vorlagen im Kopf zu vergessen, indem wir die Gedanken im Kopf als nicht da gewesen behandeln. Das physische Schweigen ist unsere Verantwortung gegenüber der Stimme des Kurans. Doch psychisches Schweigen ist die Bedingung dafür, dass wir alle von uns bisher gemachten Vorstellungen über Kuran und in Wörter gefasste Erklärungen zur Seite legen. Nur unter diesen Voraussetzungen spricht der Kuran zu uns.
21- Kuran ist die zeitgemäße Ansprache von ALLAH zu jedem einzelnen im Hier und Jetzt. Das Wort ist niemals alt. Ayat erzählen niemals von Historie. Sie bringen uns hier und jetzt “die aktuellsten Nachrichten”.
22-Ayet werden im Kuran mit einem Baum verglichen. Obwohl der Baum alt ist, bringt er jedes Jahr neue Früchte hervor. Jedes Jahr läuft das Leben auf seine Astspitzen zu und blüht aufs Neue. Die Wörter der Ayet erscheinen wie der Baumstamm alt und stabil. Doch, wenn auf die passende Jahreszeit gewartet wird, bietet er neue Früchte und neue Bedeutungen. Es entwickeln sich neue Äste und Blätter. Nur weil seine Wurzeln seit langem in der Erde verwurzelt sind und fest stecken, heißt es nicht dass sie keine Ahnung vom Himmel und kein Bezug zur Sonne haben. Es heißt noch lange nicht, dass er keine Reaktion auf den Wind und Menschen zeigt.
23-Wir haben gegenüber einem schriftlich fixiertem Text drei fundamentale Verantwortungen: Das Wort bemerken. Aus dem Wort ableiten. Das abgeleitete Wort für ein Thema verwenden. Wenn der Leser keine Verwendung für einen Zweck hat, kann er kein Wort ableiten. Der Leser, der nicht ableiten kann, kann nicht in die Substanz des Wortes eindringen. Er wird auch bei der Begegnung mit den Wörtern keine Faszination empfinden.
24-Jedes Wort im Kuran hat 4 elementare Absichten:
Tauhīd /Glaube an die Einheit (und Einzigkeit) (Gottes)‘) bedeutet „Glaube an die Einheit Gottes“,
Nubuwwah/ Prophetentum
Haschir/ Gerechtigkeit (Grundlage der sozialen Sicherung)
Ibāda/ gottesdienstliche Verrichtung
Den Kuran zu lesen, ohne diese Absichten zu berücksichtigen, sperrt das Verständnis zur Bedeutung und lässt uns den Kuran als Wörter aus alter Zeiten und als ungültig vermuten.
25-Als Letztes muss ich noch erwähnen, dass Saidi Nursi als Zeitzeuge mitbekommen hat, wie eine Sprache aus seinen Kuranwurzeln gerissen und dem Laisismus angepasst und somit reformiert wurde. Deshalb schrieb er „Rislai Nur“- mit der Absicht die Kuranwörter im Türkischen lebendig zu halten. Damit, die in den Gedächtnissen eingeschlafenen Kuranwörter erweckt werden und im Umlauf bleiben, hat er dies als Projekt aufgeschrieben. „Risalei Nur“ bietet eine spezielle Sprache an, in der die Zivilisationssprache mit den Kuranwörter am Leben erhalten wird. Wenn wir die Möglichkeiten dieser Sprache in Anspruch nehmen, werden wir in dem Bedeutungsfluss des Kurans mitfließen. (Den Fluss vom Ufer zu betrachten ist Tafsir; in den Fluss zu tauchen ist ein Elixier)
- Tafsir leitet sich von „fassara“ ab, was „erklären“, „verdeutlichen“ bedeutet. „Eine Wissenschaft, die sich mit der Bedeutung des Qurans nach menschlichem Ermessen beschäftigt.“
F.A.G.
09.01.14